Radreise „Mehr Meer“, Woche 4

Die Collage zeigt sechs Fotos: Oben links ist eine Frau an einem Tisch mit mehreren bunten Gerichten in einer Altstadt zu sehen. Rechts daneben steht die Frau mit Helm und zwei vollbelade Fahrräder vor einer breiten Treppe. In der Mitte links liegt ein brauner Hund gemütlich iim Schlafsack. Von ihm ist nur der Kopf zu sehen. Rechts stehen eine Person und ein Hund am flachen Ufer eines großen Flusses mit Weinbergen im Hintergrund. Unten links gehen eine Person und ein Hund auf einem Weg durch goldene Felder und auf dem letzten Foto unten rechts ist eine weite, abendliche Landschaft mit Feldern und Wolkenhimmel abgebildet.

Montag, 18.08., Well – Neuss, 79 km

Heute geht es wieder durch die Landschaft der Maasdünen, sozusagen der Rest von gestern. Fähre bei Broekhuizen über die Maas. Spaß für nur drei Euro. Direkt auf der anderen Seite liegt die Brauerei De Hertog Jan. Hiervon stammte das Bier, was wir auf dem ersten Campingplatz in den Niederlanden gekostet hatten.
Direkt Pause in Arcen, Kaffee und eben das lokale Bier, alkoholfrei. Vorbei an einer Wasserburg mit Garten. Da hätten wir vielleicht mehr anschauen sollen, aber aber gerade am Anfang einer Tagesstrecke sind wir eher im „Fahrmodus“.

Es gibt ein veganes Restaurant „Green“ in Kerpen, was die Essensplanung einfach macht. Die Besitzerin kommt ursprünglich aus der Ecke Worms / Biblis. Schmackhaft und sehr nett.
Ansonsten ist Nordrhein-Westfalen für mich das Land der Bettelampeln. Und zwar in einer Ausprägung, die es zum Glück selten und bei uns nicht gibt. Die Autofahrer haben geradeaus grün, aber auf dem Radweg muss man dieses grün trotzdem erbetteln und bis zur nächsten Grünphase warten. Nervig.
Der Weg durch Neuss bringt ein Eis und die Verwunderung, warum hier so viele Menschen in der Fußgängerzone unterwegs sind.
Eine Sperrung des Radwegs direkt vor dem Best Western Hotel führt zur dessen Umrundung. Da es weit und breit keinen Campingplatz gab, heute mal Hotel. Wir erkennen, dass wir auf dieser Reise noch kein Schlechtwetterhotel brauchten. Das war letztes Jahr anders.
Die Räder dürfen in die Tiefgarage, was gut ist. Die Schlepperei des Gepäcks zum Zimmer nervt aber.

Dienstag, 19.08., Neuss – Bonn, 84 km

Wir brauchen ja keinen Luxus, aber um Bauchprobleme zu vermeiden und weil Hotelfrühstück inzwischen viel kostet, schreibe ich bereits bei der Buchung in letzter Zeit Sätze wie „Ein Soja-Joghurt o.ä. wäre nett“. Wie immer läuft es nicht so. Vor, während und nach dem Frühstück müssen wir mit verschiedenem Hotelpersonal über Essen diskutieren. Wir haben genug zu essen gefunden und sind auch satt geworden, aber die aufgenötigten Diskussionen nerven. „Wird nicht nachgefragt.“ „Geht zu schnell kaputt.“ Blah, blah. Wenn man das mal aktiv vermarkten würde, könnten wir aus der Rolle der Sonderlinge raus, ich hätte das Gelaber gespart und ich würde die Hotelkette absichtlich wählen.

Trotz vieler Kilometer mit Autolärm und in Ortschaften steuern wir Köln-Ehrenfeld an. Die „Vegane Fleischerei“ hat vor zwei Tagen dort eine Filiale aufgemacht. Die Handgriffe sitzen noch nicht. Aber nach mindestens einer halben Stunde Schlange stehen, haben wir unseren Imbiss. Gegessen wird im Schatten im Leo-Amann-Park.
Dann noch Kaffee und Kuchen im Bürgerzentrum BüZe. Ein Biker-Pastor mit Tattoos setzt sich zu uns, erzählt über seine geradene verstorbene Frau. Er geht auf die 70 zu, sie ist mit 57 plötzlich und schnell an Krebs verstorben. Er ist manchmal zornig auf Gott, glaubt aber, dass da ein Plan dahintersteckt, den er eben noch nicht versteht. Er rät uns, alles was möglich zu tun, bevor es zu spät ist. Und dankbar zu sein. Er segnet uns. Ich kann nicht sagen, dass ich das brauche. Ich muss aber gestehen, dass es ein unerwartet intensives und positives Gefühl war.

Ab hier geht es am Rhein entlang. Eine Wohltat nach den Radwegkratern der Stadt Köln.
Es ist heiß und der Edeka in der Nähe des Campingplatzes ist wohl kein Edeka mehr. Leider wenig für uns dabei. Essenskauf dann beim Netto, fühlt sich als Strafe an, aber das Angebot reicht für ein gutes Abendessen und auch Frühstück.
Chaos, weil voll, auf dem Campingplatz. Auf der Homepage stand „Radfahrer müssen nicht reservieren.“ Die Campingplatzfrau ist gut gelaunt und wir finden augrund ihrer Hinweise ein ruhiges Plätzchen und auch Strom. J. muss die eher schlechte Laune des Campingplatzmannes bei der Anmeldung aushalten.
Wir markieren den Standplatzes des Zelts durch Auslegen des Bodens, nutzen den Biergarten, bauen dann erst das Zelt auf.

Mittwoch, 20.08., Bonn – Spay, 72 km

Immer am Rhein entlang, navigieren muss man hier nur selten. Der Himmel ist bedeckt und es ist angenehm warm, was ideales Radlerwetter bedeutet.

Ich versuche beim Radfahren, die Geschichte der „Brücke von Remagen“ zu erklären. Später werde ich bei Wikipedia erkennen, dass ich es „überwiegend richtig“ erzählt habe.

Kaffeepause in Bad Breisig. Leider lassen wir uns von den bequemen Kissen der Aussenbestuhlung leiten. Das erste Mal ist ein großer Kaffee ein Problem. Das sei ein Kännchen, wurde uns schnippisch erklärt. Dass es so etwas noch gibt. Gebracht wurden dann zwei normal kleine Tassen. Darüber hätte man nachdenken können. Da leider der schlechteste Kaffee der ganzen Reise gebracht wurde, war ich so froh, dass ich nicht mehr davon hatte. Auf dem Gang zur Toilette stank es im ganzen Gastraum unerträglich nach Clor. Mehr als in jedem Schwimmbad. Was machen die denn beruflich?

In Koblenz steuern wir „Dean & David“ an. Wir können draußen sitzen. Warum sind denn auch hier so viele Menschen in der Fußgängerzone? Es gibt auf jeden Fall viel zu sehen.

Wir fahren zum Deutschen Eck und diskutieren, ob wir hier schon einmal zusammen oder einzeln waren. Dann folgen unspektakuläre Kilometer bis zum Campingplatz Sonneneck.
Wir reden gerne mit einem sehr sympathischen, jungen Paar aus den Niederlanden, nachdem uns eine andere Gestalt mal wieder in ein „Ich fahre ja sportlich ohne Akku“-Gepräch verwickelt hatte. Ja, dann mach doch und sei still.

Donnerstag, 21.08., Spay – Saulheim, 79 km

Bedeckt, aber der Start geht ohne Pulli und es wird ja mit jeder Stunde wärmer. Vorbei an Burgen und vielen Schiffen. In Boppard sehen wir uns kurz den Marktplatz an. Die Loreley oder der Mittelrhein ziehen scheinbar noch immer Touristen aus Asien und Amerika an. Man sieht, dass der alte Glanz mancherorts verflogen ist, aber die Schiffe der Köln-Düsseldorfer haben Gäste, es gibt Kuckucksuhren und „Deutschlands beste Souvenirs“. Letztere kommen nach meiner Meinung zumindest teilweise aus China, obwohl am Geschäft noch „aus Deutschland“ steht.

In St. Goar finden wir ein nettes Café. Hier wird noch gebacken. Der Chef sammelt Kaffeekanne und es gibt viele zu bestaunen. Wir hören, dass noch sehr viele in Kartons lagern.

Es wird langsam heiß. Wir snacken etwas herzhaftes auf einer Bank in Bacharach und haben Touristen am Anleger der Köln-Düsseldorfer als Unterhaltung. Vorbei an Bingen und irgendwann beginnt ein gut gemachter Pendler-Radweg nach Ingelheim. Das grüne Radwegzeichen auf dem Asphalt ähnelt dem einer Autobahn.

Sehr netter Empfang bei MyThai in Ingelheim. Guter Kaffee bei der Rösterei Maja. Kurz zum Rewe für Kleinigkeiten, weil wir spät beim Thai waren. Dann die letzten Kilometer über die Hügel nach Saulheim zum Hotel Lehn, da auch hier die Campingplätze rar sind und wir so den Umweg über Mainz und den hinlänglich bekannten Weg nach Hause sparen. Wir geniessen den Abend im ruhigen Hof, sitzen unter einem Baum, essen Mitgebrachtes und trinken Bier aus dem Hotelkühlschrank.

Freitag, 22.08., Saulheim – Ludwigshafen, 67 km

Das Hotel hat sich mit dem Frühstück richtig ins Zeug gelegt. Wir müssen uns anstrengen, alles leer zu essen. Nimm das, Best Western.

Zweimal geht es deftig bergauf, der Rest der heutigen Strecke geht abwärts oder zumindest geradeaus. Leider treiben die Schreckschüsse der Starenabwehr in den Weinbergen unseren Hund zum Dauerzittern. Erst kurz vor Worms gibt es mangels Weinbergen so viel Ruhe, dass er das Zittern einstellen wird.
Vorher Eis und Kaffee bei Nonno in Osthofen. Ich schreibe hier viel übers Essen. Diesen Stopp muss ich auf jeden Fall noch benennen, weil J. Slapstickeinlagen darbietet. Ich sitze auf einer Bank auf einem Platz auf einer Straßenseite und halte den Hund. J. geht über eine Bettelampel auf die andere Seite zu Nonno. Zwei Eis und zwei Kaffee bedeutet, zweimal über die Ampel gehen. Ich stehe in der zweiten Phase grinsend und an zwei Eis leckend auf der Zielseite. J. versucht, mit zwei Tassen den Knopf der Ampel zu bedienen. Wir (und die Autofahrer?) haben was zu lachen.

Pause in Worms. Der Rest des Weges nach Hause ist reine Routine, weil jeder Meter hinlänglich bekannt ist.

Ab dem Ruhetag in den Niederlanden waren wir im Modus, ohne Stress, aber ohne Pause nach Hause zu kommen. Denn am Morgen nach der Ankunft gehen wir gleich ins Hospiz, um C. noch einmal zu sehen. Das traurige Gefühl begleitete uns nun schon länger auf der Reise. Immerhin haben wir es rechtzeitig geschafft und nun machen wir das.

Grundsätzlich wird es schwierig, nach all der Zeit im Freien, den Erlebnissen und der Fokussiertheit auf Radeln und Camping wieder in den Alltag zu kommen.

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